Baby in Klappe abgegeben: Klinik hat wichtige Botschaft an die Mutter

Als ein Neugeborenes in einer Babyklappe in Unna abgegeben wurde, suchten Jugendamt und Klinikum nach der Mutter. Sie hatten eine wichtige Botschaft für sie

Manche Kinder werden in Babyklappen abgegeben, weil sich die Eltern nicht kümmern können.
Quelle: IMAGO / agefotostock

Klappe auf, Baby rein – so funktioniert das Konzept der Babyklappen. Viele wissen gar nicht, dass es so etwas schon lange auch in Deutschland gibt. Bundesweit gibt es über 100 solcher Einrichtungen, in denen frischgebackene Mütter die Chance bekommen, ihrem Schützling ein besseres Leben zu ermöglichen. Manche Mamas sind nach der Geburt ihres Baby überfordert oder haben mit Wochenbettdepressionen zu kämpfen. Das ist sowohl für die Mutter als auch für das Kind eine schmerzliche Erfahrung. Wer in der Kindheit zu wenig Liebe erfährt, soll im Erwachsenenalter anfälliger für bestimmte Ängste sein. Wenn sich eine Mutter für diesen schweren Schritt entscheidet, kann sie zu bestimmten Einrichtungen gehen, die Babyklappe öffnen und ihr Baby anonym abgeben. In diesem Fall hat das Klinikum allerdings eine wichtige Botschaft an die Mutter und wendet sich deshalb an die Öffentlichkeit.

Doch zuerst beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn man ein Neugeborenes in eine Babyklappe legt ...

Falls sich eine Mama umentscheidet und ihr Kind doch großziehen will, kann sie die Entscheidung, die sie mit der Babyklappe traf, rückgängig machen.
Quelle: IMAGO / Cavan Images

Welche Konsequenzen hat es, wenn man sein Kind in eine Klappe legt?

Die Frauen haben oftmals zwei Monate Zeit, um ihr Kind zurückzuholen. Doch meistens ist die Entscheidung, das eigene Kind für immer abzugeben, sehr lange und gut überlegt. Gründe hierfür sind unterschiedliche Ängste. Finanzielle Ängste, fehlender Rückhalt der Familie, mangelnde Erfahrungen oder eine ungewollte Schwangerschaft sind nur einige der unzähligen Gründe, die Mütter zur Abgabe bewegen. Mama sein ist keine einfache Aufgabe. Deshalb gibt es nur wenige Frauen, die ihr Kind zurückverlangen, nachdem sie es in die Klappe gelegt haben. Mit dem Schritt erhoffen sie sich, ihr Kind in gute Hände zu legen ...

Weshalb wendete sich eine Klinik denn dann jetzt an eine Mutter, die ihr Kind abgeben hatte?

Die Klinik versucht, die Mutter des Babys, das in der Babyklappe abgegeben wurde, mit einer bedeutenden Mitteilung zu erreichen.
Quelle: IMAGO / Westend61

Fall Unna: Kleines Mädchen in der Klappe

Im Jahr 2018 entschloss sich eine weitere Mutter für diesen schweren Schritt und gab ihre neugeborene Tochter an der Babyklappe des Katharinen-Hospitals in Unna (Nordrhein-Westfalen) ab. Das Jugendamt und Hospital wendeten sich kurz darauf an die Öffentlichkeit, denn sie wollen der anonymen Mutter eine wichtige Botschaft mitteilen. Da sie ja keine Informationen über sie hatten, taten sie es auf diese Weise.

Zum einen teilte man mit, dass es dem Kind gut gehe. Das kleine Mädchen konnte in einer Bereitschafts-Pflegefamilie untergebracht werden, die auf Säuglinge vorbereitet ist. Man war sich sicher, dass die biologische Mutter den Schritt der Abgabe gut durchdacht hatte. Daher wollen man sie keinesfalls überreden, sich die Entscheidung erneut zu überlegen.

Doch eine Sache soll sie noch für ihre Tochter machen ...

Das Krankenhaus, dass das kleine Mädchen empfang, bittet die Mutter, sich zu melden.
Quelle: IMAGO / Niehoff

Kein Abschied für immer?

Karin Riedel, die Leiterin der Unternehmenskommunikation des Katharinen-Hospitals, verriet: „In erster Linie wollen wir der Mutter mitteilen, dass es dem Kind gut geht. Uns ist aber auch noch wichtig, dass wir dem Kind die Möglichkeit geben, irgendwann später die Mutter kennenlernen zu können. Der Entschluss der Frau soll in keiner Weise angezweifelt werden. Die einzige Bitte richtet sich an die Zukunft der Tochter und soll beiden die Möglichkeit geben, erneut zusammenzufinden, wenn sich die Umstände geändert haben."

Wenn die Mutter sich melde, könne man ihre Kontaktdaten hinterlegen, falls die beiden sich später doch einmal kennenlernen wollten.

Viele Menschen finden es herzlos, dass Babyklappen genutzt werden, doch sie retten Leben ...

Das Prinzip der Babyklappe stellt sicher, dass Mütter anonym bleiben.
Quelle: IMAGO / Patrick Scheiber

Babyklappen: Darum sind sie so wichtig

Die erste Babyklappe gibt es in Deutschland seit 2000 in Hamburg. Die Klappen bestehen aus einem Fenster aus Metall oder Glas, das von außen zu öffnen ist. Innen befindet sich eine gepolsterte Ablage, beheizt mit einer Wärmedecke und oft auch einer Wärmelampe. Das Personal wird erst mit einer kleinen Zeitverzögerung über den „Eingang“ informiert, sodass die Mutter ausreichend Zeit hat, um unerkannt aufzubrechen.

Babyklappen sind eine Möglichkeit, damit eine Frau, die ihr Kind anonym geboren hat, nun auch anonym abgeben kann und ihm so ein Leben in Sicherheit zu ermöglichen.

Immer wieder werden Klappen wie in Unna genutzt, um Babys abzugeben, wie Zahlen zeigen ...

Manche Babys werden in Babyklappen gelegt
Quelle: Midjourney

Wie viele Babys werden in Klappen abgelegt?

Nun fragt man sich natürlich, wie oft es passiert, dass Babys in Klappen gelegt werden? Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, da es für Babyklappen keine Meldepflicht gibt, werden weder bundes- noch landesweit Daten über diese Form der Kindesabgabe erfasst.

Dennoch konnten einige Bundesländer Zahlen dazu nennen. So wurden in Baden-Württemberg von 2001 bis 2017 insgesamt 90 Babys in den acht Klappen abgegeben, in Rheinland-Pfalz von 2000 bis 2018 insgesamt 46. In Bremen gibt es nur ein Körbchen, in dem in den letzten zehn Jahren 24 Babys gefunden wurden, genauso viele wurden in Sachsen-Anhalt gezählt, in Hamburg waren es im gleichen Zeitraum 21 Babys. Im Saarland gaben nur sieben Mütter in den letzten zehn Jahren ihr Kind ab. Insgesamt wurden demnach allein in sechs Bundesländern innerhalb von 19 Jahren 212 Babys in Klappen gefunden. Das erörterte eine Umfrage des RND im Jahr 2021.

Es gibt jedoch noch eine Alternative zu Babyklappen ...

Eine vertrauliche Geburt ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren, das es einer Mutter erlaubt, anonym zu bleiben, wenn sie ein Kind zur Welt bringt,
Quelle: Midjourney

Alternative zur Babyklappe: Vertrauliche Geburt

Leider gab es auch immer wieder Probleme mit der Babyklappe, denn sie sind bis heute umstritten und von keinem Gesetz gedeckt. Kontrollen unterliegen sie nicht. Das macht sie mehr oder weniger illegal, sie werden zum Schutz der Babys geduldet.  Seit 2014 gibt es nun eine Alternative: Die vertraulichen Geburt ist  eine legale und gesetzlich verankerte Alternative, bei der die Identität der Mutter mindestens 16 Jahre lang verdeckt bleibt.

Diese erlaubt einer Mutter anonym zu bleiben, wenn sie ein Kind zur Welt bringt, und dabei sicherstellt, dass das Kind medizinisch versorgt wird und keine Gefahr für die Gesundheit besteht. Dieses Konzept wurde entwickelt, um Müttern, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ihre Identität preiszugeben, eine sichere Option zu bieten.

Bei einer vertraulichen Geburt kann die Mutter in einer Klinik oder einem Krankenhaus entbinden, ohne ihre Identität preiszugeben. Die Einrichtung sorgt dann für die notwendige medizinische Versorgung des Kindes und ermöglicht es der Mutter, das Krankenhaus nach der Geburt zu verlassen, ohne weitere Verpflichtungen einzugehen.

Doch wie läuft es weiter, nachdem ein Baby abgeben wurde?

Eine Ärztin kümmert sich um ein Baby
Quelle: Midjourney

Was passiert, nachdem ein Baby abgelegt wurde?

Heutzutage gibt es über Babyklappen meist einen Monitor oder mindestens einen Alarm, der verzögert losgeht, sobald ein Baby abgelegt wurde. Wenn er dann ausschlägt, macht sich medizinisches Personal (z.B. Krankenpfleger*innen oder/und Ärzt*innen) auf den Weg, um das Baby aus beheizten Box zu holen. Die Kinder werden dann sofort zur Rettungsstellen bzw. Notaufnahme gebracht, wo sie untersucht werden.

Die meisten Kinder sind wohlauf und wirklich gerade erst geboren worden, wenn man sie findet. Manche Kinder brauchen aber auch dringend medizinische Versorgung. Laut Spiegel werden die meisten Klappenkinder oft nur mit einer Windel bekleidet oder in eine Decke eingewickelt abgegeben. Die meisten sind nicht älter als 24 Stunden. Doch es gibt auch immer wieder Babys, die liebevoll und warm angezogen worden. Fast immer sind sie ohne ärztliche Hilfe auf die Welt gekommen, was man an der Nabelschnur sehen kann, die dann nicht abgebunden wurde.

Sind sie wohlauf, kommen die Kinder zu Pflegefamilien. Doch was wird dann aus den Kindern?

Viele Menschen finden Babyklappen falsch. Doch für einen Jungen, der seine Geschichte dem Focus unter dem Namen Johannes erzählte, war sie wahrscheinlich die Rettung seines Lebens.
Quelle: Midjourney

Was wird aus Klappenkindern?

Viele Menschen finden Babyklappen falsch. Doch für einen Jungen, der seine Geschichte dem Focus unter dem Namen Johannes erzählte, war sie wahrscheinlich die Rettung seines Lebens. Im Jahr 2007 wurde er in eine solche Klappe gelegt.

Seine Mutter, die bereits zwei Kinder hatte und alleinerziehen war, hatte geplant eigentlich geplant ihr Kind anonym in einem Krankenhaus in Berlin zu gebären, welches schon damals diese Möglichkeit anbot. Doch es kam anders: Johannes kam zu früh und als Sturzgeburt auf der Treppe zuhause zur Welt. Seine Mutter stürzte auf der Treppe und das Baby fiel einige Treppenstufen herab und brach sich dabei das Becken und einen Unterschenkel.

Sein Leben hing am seidenen Faden ...

Johannes Mutter Seine Mutter handelte wie in einem tranceartigen Zustand.
Quelle: Midjourney

Schock nach traumatischer Geburt: So ging es mit Johannes weiter

Johannes Mutter handelte wie in einem tranceartigen Zustand. Sie suchte ein viel zu kleines Puppenkleidchen für das Frühchen, wickelte es in eine Decke und versteckte es. Erst nachdem sie etwas Schlaf gefunden und ihre beiden älteren Kinder versorgt hatte, fiel ihr wieder ein, dass da ja dieses Baby war, das sie gerade geboren hatte.

Der kleine Junge war kalt und still, aber er atmete. Als die Kinder schliefen, machte sich Johannes' Mutter mit ihm auf den Weg nach Berlin. Im Krankenhaus Waldfriede bestand nicht nur die Möglichkeit einer anonymen Geburt, sondern auch eine Babyklappe. Sie legte das kleine Bündel dort behutsam hinein und machte sich auf den Rückweg nach Hause.

Es dauerte zwei Minuten, bis das Baby gefunden wurde ...

Der kleine Junge wurde deshalb sofort in die Kinderklinik gebracht.
Quelle: Midjourney

Gerade noch rechtzeitig: So wurde Johannes gerettet

Es war sofort klar, dass das Frühchen in einem schlechten Zustand war. Der kleine Junge wurde deshalb sofort in die Kinderklinik gebracht. Das medizinische Personal hatte große Sorge, dass er es nicht schaffen könnte. Die Körpertemperatur war nicht mehr messbar, weil der Kleine so kalt war. Dazu wog er gerade mal 2000 Gramm. Doch der kleine Junge war ein Kämpfer und schon einen Tag nach seiner Geburt war er über den Berg und stabilisierte sich. 

Auch seine leibliche Mutter wurde gefunden, da eine Nachbarin aufgefallen war, dass diese zwar schwanger gewesen sei, nun aber wieder schlank war, aber kein Baby habe. Dies meldete die Nachbarin der Polizei. Schnell wurde klar, dass es sich hier um Johannes‘ Mutter handeln musste. Sie erzählte den Polizisten, dass sie ihren Sohn in die Babyklappe gelegt habe, um ihn in Sicherheit zu bringen und dass sie ihn zur Adoption freigeben wolle. So kam Johannes zu seinen Adoptiveltern, die sich schon lange ein Baby wünschten.

Doch wie geht es Johannes heute?

Heute hat eine drei Jahre jüngere Schwester, die anonym im Krankenhaus geboren wurde, in dem Johannes selbst abgeben worden ist, und die ebenfalls kurz darauf von der Familie adoptiert worden ist.
Quelle: Midjourney

Klappenkind: So geht es ihm heute

Johannes ist inzwischen 16 Jahre alt und spricht offen über seine Geschichte im Interview; „Seit ich denken kann, weiß ich, dass ich adoptiert bin und dass ich in die Babyklappe gegeben wurde (...) Ich hatte dabei nie schlechte Gefühle. Und ich habe meine leibliche Mutter auch nicht vermisst. Ich bin ja von Anfang an bei meinen Adoptiveltern aufgewachsen und hatte nie das Gefühl, dass mir etwas fehlt.“ Der Gedanke, dass seine Mutter ihn nicht behalten konnte oder wollte, belastet ihn nicht: „Ich kenne ja inzwischen die Geschichte, die dahintersteckt. Und deswegen weiß ich, dass es für mich das Beste war, in dieser Familie aufgewachsen zu sein.“

Anders als die Klappenbabys hätte Johannes sogar die Möglichkeit, Kontakt zu seiner leiblichen Mutter aufzunehmen, da diese den Behörden bekannt ist. Doch davon hat er bisher keinen Gebrauch gemacht. „Ich habe das bis jetzt noch nicht gemacht und würde das auch in näherer Zeit nicht in Betracht ziehen (...) Ich kann mich nicht an sie erinnern und finde gerade keinen Grund, zu ihr Kontakt aufzubauen. In meiner Familie hier lebe ich einen normalen Alltag, als wäre meine Adoptivmutter meine leibliche Mutter.“

Heute hat eine drei Jahre jüngere Schwester, die anonym im Krankenhaus geboren wurde, in dem Johannes selbst abgegeben worden ist, und die ebenfalls kurz darauf von der Familie adoptiert worden ist.

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