Leben mit Angststörung: Wie geht man mit der Erkrankung um?

Was, wenn die Angst zum Dauerzustand wird? Wir zeigen wie ein Leben mit Angststörung aussehen kann, und wie man mit der Erkrankung lebt:

Wie sieht ein Leben mit Angststörung aus?
Quelle: IMAGO / Zoonar

Der Alltag mag nicht immer leicht zu bewältigen sein. Jeder hat mal Tage an denen eine so große Herausforderung auf einen zu kommt, dass man Angst hat, man kann sie nicht schaffen. Doch was, wenn Momente der Angst zu einem Dauerzustand werden? Im Schatten der scheinbar heiteren Fassaden des Alltags verbirgt sich oft ein Kampf, der von vielen still und unbeachtet ausgetragen wird - die Angststörung. Diese unsichtbare Herausforderung betrifft Menschen auf der ganzen Welt und wirft für Betroffene und Angehörige Fragen auf. Was genau bedeutet es, nicht nur Angst mal erlebt zu haben, sondern sie als ewigen Begleiter zu haben? Was fühlen Betroffene, wenn sie mit der Erkrankung leben? Welche Strategien des Umgangs wurden bereits entwickelt, um ein erfülltes Leben zu führen? 

Heute schauen wir wie Menschen mit Angststörung ihren Tag wirklich erleben. Was ist also eine Angststörung?

Eine Panikattacke ist ein häufiger Begleiter für Personen mit Angststörungen.
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Panikattacken

Vielleicht gehst du in einen Raum voller Menschen und musst du gleich eine wichtige Präsentation halten. Vielleicht hast du das eine Gespräch schon eine Weile auf die lange Bank geschoben und weißt, dass du das Thema jetzt ansprechen musst. Es kann sogar ein so banales Szenario sein wie das Einkaufen im Supermarkt. Doch kaum kommt auch nur ein Gedanke daran auf, merkst du, wie dein Herz anfängt zu rasen. Deine Hände zittern, du schwitzt auf einmal, und warum ist dir jetzt schwindlig? Was du gerade fühlst, ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Panikattacke. Sie kann verschiedene Symptome bei Menschen hervorrufen, doch eins bleibt gleich: Die Angst. So eine Situation mal zu erleben ist normal. Doch ungefähr 9 von 100 Männern und 21 von 100 Frauen in Deutschland erleben so etwas regelmäßig. Man fängt an, sich schnell überwältigt zu fühlen. Es kann so schlimm werden, dass man beginnt, solche Szenarien ganz und gar zu vermeiden. Wenn eine irrationale Angst auftaucht oder die Angst so groß ist, dass dadurch das eigene Leben eingeschränkt wird, dann spricht man von einer Angststörung.

Eine Panikattacke ist einer der bekanntesten Symptome einer Angststörung. Doch welche gibt es noch?

Eine Angststörung kann andere Erkrankungen hervorrufen.
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Symptome

Welche Symptome man wo und wann spürt, hängt von der Person ab. Schließlich werden Angststörungen teilweise durch Traumata oder genetische Veranlagung verursacht. Die meist anhaltenden, unrealistischen und übertriebenen Sorgen gehen oft mit einer Depression einher. Neben den Ängsten bekommen manche Menschen also auch noch das Gefühl, das Leben sei nicht mehr lebenswert. Die ständige Nervosität und Anspannung bringen Muskelverspannungen hervor. Man kann sich durch die quälenden Gedanken oft nicht richtig konzentrieren und dann macht man sich vielleicht so große Vorwürfe nichts geschafft zu haben, dass man sogar nachts nicht abschalten kann. Es entwickelt sich daher oft auch eine Schlafstörung

Wie man sieht, eine Angststörung kann in viele Bereiche des Lebens eingreifen. Wie sieht denn ein Tag einer Person mit Angststörung aus? Ein Betroffener berichtet:

So kann ein Tag im Leben mit Angststörung aussehen.
Quelle: IMAGO / Panthermedia

Ein Tag im Leben mit Angststörung

Man steht morgens auf und schon ab der ersten Sekunde des Bewusstseins fängt das Hirn an zu rattern: „Oh Gott, heute muss ich früh arbeiten. Was ist wenn ich zu spät komme? Schaff ich es überhaupt noch zu frühstücken? Was ist wenn der ganze Morgen schief läuft und ich zu spät komme und gefeuert werde?“ Was nach einem schrecklichen Start in den Tag klingt, ist für manche Leute ein ewiger gedanklicher Kreislauf. Schon früh begibt man sich emotional und mental überwältigt in den Alltag und auch dort lassen einen die Gedanken nicht los. Was muss noch getan werden, was ist noch nicht fertig, was kommt als nächstes? Bei all den Gedanken hat man so wenig Zeit sich auf die eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren. Man ist erschöpft und will sich am liebsten verkriechen. Doch warte, woher kommt dieser Juckreiz am Arm? Oh nein, der war doch gestern noch nicht so groß! Ist es etwas Ernsthaftes? Werde ich sterben? Ab jetzt darf man sich auch noch auf eine kräftezehrende Existenzangst gefasst machen, die einen monatelang begleiten kann. Dabei ist es gerade mal mittags. 

Wie man sieht, ist ein Leben mit Angststörung keineswegs langweilig. Jeder Mensch hat je nach seinen Ursachen für die Angsterkrankung andere Symptome, doch viele Betroffene werden sich mich solchen Gedankenmustern identifizieren können. 

Im schlimmsten Falle kann es sogar dazu kommen:

Was kann die Erkrankung bei Betroffenen auslösen?
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Todesangst

Die generalisierte Angststörung gibt immer wieder einen neuen Anlass Angst zu haben. Ob im sozialen Umfeld oder bei überwältigenden Momenten haben Betroffene oft Angst die Kontrolle zu verlieren. Gerade in Stressphasen braucht es nur einen kleinen Auslöser, und schon kann es zu großen Reaktionen wie einer Panikattacke kommen. Es kann so schlimm werden, dass man ständige Todesangst bekommt. Wie zuvor beschrieben, kann ein kleiner Juckreiz oder eine wunde Stelle am Körper, die sonst keinerlei Bedenken hervorrufen würde, nun eine Gefahr bedeuten. Sogar der Arztbesuch kann nun zum quälenden Gedanken werden, da der Betroffene häufig Angst hat, dass die Ärzt*innen die Vermutung bestätigen. 

Was also kann man tun, um aus dem Teufelskreis wieder herauszukommen?

Wie bewältigen Betroffene ihre Angststörung?
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Alltagsbewältigung

Für viele Betroffene ist es schwer bei wiederkehrenden negativen Gedankenspiralen einen Ausweg zu erkennen. Doch dank einiger Methoden, die sich in der Therapie etabliert haben, können Erwachsene leichter mit der Angst in ihrem Alltag umgehen.

Der erste Schritt ist, Angst als solche anzusehen und zu erkennen, dass man die Kontrolle über das Angsterleben zurückgewinnen kann. Angst sei schließlich auch nur eine Funktion des Körpers, die da ist, um uns zu beschützen. Mit dem Wissen können wir leichter an unsere Techniken herangehen.

Betroffene sollten versuchen, Orte und Situationen zu vermeiden, die Angst auslösen. Die Psychotherapie lehrt jedoch, dass genau das der falsche Weg sei, und die Angst sich dadurch eher noch verbreitet.

In Selbsthilfegruppen können Kontakte zu anderen Menschen geknüpft werden, die ähnliche Erfahrungen teilen. Der Austausch von Tipps und Erfahrungen mit Gleichgesinnten kann eine große Entlastung sein und unterstützen.

Auf der nächsten Seite findest du eine wichtige Anlaufstelle, die jeder Betroffene im Auge haben sollte:

So können sich Betroffene einer Angststörung Abhilfe verschaffen.
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Therapie

Wenn du unter Angststörungen leidest, kann es oft schwer sein, sich wieder unter Menschen zu begeben und seine Probleme zu teilen. Aber Selbsthilfegruppen bieten dir die Möglichkeit, dich mit anderen auszutauschen und Unterstützung zu finden. Die Stiftung Gesundheitswissen hat eine Liste von Selbsthilfegruppen und anderen Anlaufstellen, wo du einen Therapeuten oder Facharzt finden kannst.

Es gibt auch die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), die dir kostenlos in sozialrechtlichen Fragen helfen kann. Manchmal kann es schwierig sein, eine generalisierte Angststörung festzustellen, besonders wenn du zuerst wegen körperlicher Symptome Hilfe suchst. Aber durch Gespräche mit einem Psychotherapeuten kann die richtige Diagnose gestellt werden, um dir die passende Behandlung zu ermöglichen. Lass dich nicht entmutigen und suche nach den richtigen Anlaufstellen, um Unterstützung zu finden und deine Angststörung zu bewältigen.

Was ist, wenn du im Moment einer Panikattacke steckst? Das verschafft akute Hilfe:

Atemübungen helfen bei einer akuten Panikattacke.
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Akute Hilfe bei Angststörung

Einige Tipps und Tricks haben sich bei aufkommenden Panikattacken seit einiger Zeit bewehrt. Hier sind wichtige und doch einfache Dinge, die Betroffene als Sofortmaßnahmen tun können:

1. Achte auf deine Atmung
Eine nützliche Technik ist die 4-6-8-Methode: Atme für vier Sekunden ein, halte die Luft für sechs Sekunden an und atme dann für acht Sekunden aus. Entspannende Atemübungen können dir in Momenten von Panik helfen, da dein Atem in solchen Situationen oft flacher wird. Da du dich vollkommen auf den Luftstrom konzentrierst, stoppst du damit auch deine negativen Gedanken.

2. 5 Sinne checken
Genauso kann dich auch diese simple Übung aus dem Kopf holen. Dabei achtest du diesmal auf deine fünf Sinne. Eine Möglichkeit wäre dabei ein Objekt zu finden, an dem du riechst. Dann suche nach zwei Dingen, die du schmeckst. Darauf folgen drei Dingen, die du hörst, vier, die du fühlst und fünf, die du siehst. Dabei kannst du die Sinne nach belieben austauschen. 

Wie entsteht eine Angsterkrankung eigentlich?

Das sind die Ursachen einer Angststörung.
Quelle: IMAGO / Zoonar

Ursachen einer Angststörung

Die Ursachen von Angsterkrankungen sind vielfältig und komplex. Historisch betrachtet, gehen spezifische Phobien auf Urängste zurück, die unseren Vorfahren halfen, in gefährlichen Situationen zu überleben. Heutzutage führen jedoch erbliche, neurobiologische und psychologische Faktoren dazu, dass Angst übersteigert auftreten kann.

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen erklären, dass genetische Faktoren eine bedeutende Rolle spielen. Psychische Faktoren wie traumatische Kindheitserlebnisse oder anhaltender Stress gelten ebenfalls als Risikofaktoren für die Entwicklung von Angststörungen. Die Lerntheorie besagt, dass negative Erfahrungen Ängste begünstigen können, da Betroffene oft versuchen, angstauslösende Situationen zu vermeiden und somit die Möglichkeit verlieren, zu erkennen, dass ihre Angst unbegründet ist.

Psychoanalytische Theorien bieten zusätzliche Erklärungsansätze, die jedoch noch wissenschaftlich bestätigt werden müssen. Sie vermuten, dass verdrängte Triebimpulse und traumatische Kindheitserlebnisse krankhafte Ängste auslösen können. Insgesamt entstehen Angsterkrankungen durch eine komplexe Wechselwirkung verschiedener Faktoren.

Wusstest du eigentlich, ...

Was ist der Unterschied zwischen einer Phobie und einer Angststörung?
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Phobien sind auch Angststörungen 

Einige Menschen haben Angst vor Spinnen oder großen Menschenmengen, oder kennen zumindest jemanden, der diese Angst hat. Hat die Person also eine generalisierte Angststörung? Nein, nicht unbedingt. Das wäre dann eine Phobie. Phobien und Angsterkrankungen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Auslöser und ihrer Vorhersehbarkeit voneinander. Dabei ist eine Phobie die am häufigsten auftauchende Art der Angsterkrankung. Während bei Phobien klare Auslöser wie Menschenmengen, Tiere oder Gegenstände die Angst verursachen, können Angsterkrankungen scheinbar grundlos auftreten und sind weniger an bestimmte Auslöser gebunden. Ein Beispiel für eine soziale Phobie wäre die Angst vor Situationen, in denen Betroffene im Mittelpunkt stehen und von anderen „bewertet“ werden könnten, wie etwa bei einem Vortrag oder einer Party. 

Eine Angsterkrankung kann starke Ursachen bei Betroffenen bewirken, doch es ist gut und wichtig sich vor Augen zu halten, dass es viele Anlaufstellen für Hilfe gibt. Falls du vermutest, dass du eine Angsterkrankung hast, kannst du als erste Anlaufstelle auch deinen Hausarzt aufsuchen. Wenn du jedoch Angst vor einem Arztbesuch hast, kannst du dich auch an die Nummer wenden 089 - 21 52 97 72. Die DAK bietet einige Projekte für die Angstselbsthilfe. Außerdem erklärt die Techniker Krankenkasse auch, welche Behandlungsmöglichkeiten du hast.

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